ega-Pokalturnier ErfurtEinmal im Jahr findet in Erfurt das internationale ega-Pokalturnier für die Altersgruppe U13 statt. Dieses Ereignis ist längst eine feste Größe in den Terminkalendern von über 150 deutschen und etlichen ausländischen Judovereinen. Auch in diesem Jahr, am 11.05.2014, trafen knapp 600 der erfolgreichsten Sportler in Thüringen ein, um sich im Wettkampf zu messen. Ich möchte hier nicht nur von den Kämpfen erzählen, sondern die Reise und den gesamten Ablauf beschreiben, um interessierten Judoka einen Eindruck von dem Ereignis zu vermitteln.

Der Termin für das Turnier wurde Anfang des Jahres bekannt gegeben. Nach Absprache mit unseren Trainern habe ich versucht, erfahrene Kämpfer des TSV Unterhaching der Jahrgänge 2002, 2003 und 2004 zu einer Teilnahme zu motivieren. Da man von München bis Erfurt doch recht lange unterwegs ist und eine Übernachtung einplanen muss, bin ich letztendlich nur mit einem unserer Judoka auf die Reise gegangen. Adrian Schulze wollte seine ersten Erfahrungen auf einem internationalen Turnier sammeln.

Dank einer frühen Buchung konnten wir ein günstiges Bahnticket ergattern. Die Reisedauer beträgt etwas über 5 Stunden, wir haben also genug Essen, Getränke und Bücher/Unterhaltung in die Rucksäcke gestopft, um die lange Fahrt zu überstehen. Die gute Wettkampforganisation der Erfurter ermöglichte es, dass man schon am Vorabend des Turniers zum Abwiegen gehen konnte. Das haben wir auch gleich nach dem Einchecken in unser kleines Hotelzimmer erledigt. Danach haben wir den Tag mit einem Schnitzelessen abgerundet.

Am nächsten Morgen sind wir nach einem gemütlichen Frühstück zum Steigerwaldstadion spaziert. Um 8:30 Uhr fand dort die Einweisung der Betreuer statt. Hier wurden organisatorische Dinge erklärt und noch einmal darauf hingewiesen, dass nach der Wettkampfordnung des DJB gekämpft wird. Das heißt, es galten die Regeln der U12 (Armhebel sind nicht erlaubt, Griff um den Nacken und Tani-o-toshi sind ebenfalls verboten). Einige Betreuer äußerten darüber ihren Unmut, da sie ihre Kinder speziell auf diese Techniken vorbereitet hatten. Die Ausschreibung war jedoch eindeutig gewesen, sodass die Beschwerden keinen Erfolg hatten. Außerdem würde ein Ippon zum sofortigen Sieg führen (nicht zwei Ippon, wie es in Bayern in der U12 oft üblich ist). Bei Unentschieden wurden Verwarnungen (Shido) zugunsten des Gegners gewertet; wenn es keine Verwarnungen gab, trafen die drei Kampfrichter eine Mehrheitsentscheidung (Hantei), wer der bessere Kämpfer und damit der Sieger der Begegnung war.

Es folgte der Einmarsch der Judoka in das riesige Stadion und eine kurze Begrüßung durch den Bürgermeister von Erfurt. Hier erfuhren wir, dass Mädchen und Jungen aus den Nationen Österreich, Israel, Ungarn, Tschechien, Polen, Belgien, Holland, Luxembourg, Schweiz und Deutschland vertreten waren. Gekämpft wurde auf 6 Matten nach dem KO-System. Dabei wurden die Kämpfer jeder Gewichtsklasse nach dem Losverfahren in Paare aufgeteilt. Die Gewinner dieser Paare traten jeweils wieder gegeneinander an, bis nur noch zwei Kämpfer für den Finalkampf um Gold und Silber übrig waren. Wer einmal verlor, konnte nur noch in der Trotsrunde weiterkämpfen. (Es durften diejenigen in die Trostrunde, die gegen einen Kämpfer verloren haben, der sich im Verlauf mindestens für das Halbfinale qualifiziert hat). Der Gewinner der Trostrunde erhielt dann die Bronzemedaille.

Adrians Gewichtsklasse war mit 21 Kämpfern stark besetzt. Da seine Gewichtsgruppe erst um 11:30 mit den Kämpfen begann, war erstmal Warten angesagt. Wir nutzten die Zeit, bei den Kämpfen zuzusehen und uns zwischendurch abzulenken. Je weiter die Zeit vorrückte, desto mehr wuchs besonders Adrians Anspannung. Das Niveau der Kämpfer war durchgehend sehr hoch. Man konnte gut beobachten, wie groß der Ehrgeiz nicht nur der Judoka, sondern auch der Betreuer in vielen Fällen war. Erst um 12:30 - die Nerven angespannt bis zum Zerreißen - wurde Adrian zu seiner ersten Begegnung auf die Matte gerufen.

Sein erster Gegner war Nils Voß vom Thüringer Verein FSV Gotha. Der Kampf begann von beiden Seiten sehr engagiert. Doch schon nach 20 Sekunden konnte Adrian mit einem sauberen O-soto-gari-Konter eine Waza-ari-Wertung erzielen und den Thüringer anschließend im Festhalter endgültig besiegen. Dieser Anfangssieg war psychologisch wichtig, daher freute ich mich besonders, Adrian gratulieren zu können.

Internationales ega-Pokalturnier Erfurt 2014

Im zweiten Kampf musste er gegen Daniel Bogdanov vom JC Vulkaneifel (dem größten Judoverein im Rheinland) antreten. Daniel hatte einen ausgeprägt offensiven Kampfstil. Seine Taktik bestand darin, den Gegner ständig herumzuziehen und -schleudern, um in der daraus entstehenden Hektik einen Wurf abstauben zu können. Dessen Rechnung ging zumindest teilweise auf, da Adrian große Schwierigkeiten hatte, in seinen Kampf zu finden und selbst eine Technik erfolgreich ansetzen zu können. Allerdings schaffte es Daniel auch nicht, Adrian wirkungsvoll zu Fall zu bringen. Leider handelte sich Adrian dabei ein Shido (Verwarnung) wegen Passivität ein und konnte bis zum Ende des zweiminütigen Kampfes keinen Punkt mehr machen. Dadurch verlor Adrian den Kampf äußerst unglücklich, ohne dass der Gegner eine Wertung erzielt hätte. (Daniel Bogdanov erreichte am Ende des Turniers den 2. Platz.)

Der Weg in die Trostrunde stand Adrian jedoch offen, und so bestand immer noch die Chance auf eine Bronzemedaille. Adrian war sich bewusst, dass es nun um die Wurst ging, und war entsprechend aufgeregt. Er durfte nun gegen den sehr offensiv kämpfenden Michael Weber vom JC Petersberg auf die Matte. Eine klassische Situation, in der man Nervenstärke beweisen und einen kühlen Kopf bewahren muss. So kam es, dass Adrian nach etwa einer Minute Kampfzeit bei einem nicht einmal besonders schnell angesetzten Seoi-nage seines Gegners viel zu lange für eine entsprechende Ausweich- oder Konterreaktion brauchte und mit Ippon geworfen wurde. Somit war das Turnier für Adrian beendet und die Enttäuschung zunächst groß.

Als ein großer Eisbecher in einem Erfurter Straßencafé und der Frust verdaut waren, konnten wir auf der Heimreise (bei der die Bahn wegen einer Verspätung ein Shido von uns erhielt) den Tag revue passieren lassen. Trotz Niederlage ist Adrians Kampfgeist ungebrochen. Bei solch einem großen internationalen Turnier teilzunehmen war für ihn eine neue, ungewohnte und sehr wertvolle Erfahrung. In eine fremde Stadt zu reisen und sich alleine so vielen unbekannten und starken Gegnern zu stellen ist ein Erlebnis, das man nicht mit Urkunden und Medaillen aufwiegen kann. Man erweitert seinen Horizont, gewinnt daraus Erfahrung, Routine und Selbstbewusstsein, und das wird dem Teilnehmer später nicht nur im Judo nützen. Ich würde jedem regional erfolgreichen Sportler, der gerne kämpft und mehr lernen möchte raten, solche Gelgenheiten zu nutzen. Ob man mit einer Medaille nach Hause kommt oder nicht, ist dabei zweitrangig.

Es gibt Kämpfe, die man gewinnt und Kämpfe, bei denen man etwas lernt.